SecondName

Für die Portraits seiner Serie SecondName benötigt Wolfgang Müllner gar keine konkreten Menschen mehr, ihm genügen Codes. Diese findet er in den Namen auf einem Klingelbrett eines x-beliebigen Hauses. Jeden dieser Namen (beispielsweise „Winter“) benützt er als speziellen Tweet, als Lockruf: indem er ihn in die Maske der Google-Bildersuche eingibt, ruft er quasi Portraitaufnahmen von Menschen dieses Namens (auf), die zwar an diesen Adressen wohnen könnten, es wahrscheinlich aber nicht tun. Das ist aber im Grunde auch ganz unwesentlich, denn Müllners Methode zielt auf etwas ganz anderes, und zwar auf die kodifizierte Repräsentanz von Menschen im Netz. So nimmt er die fünfzehn ersten Bilder, die die Suche ihm für einen konkreten Namen anbietet – somit auch jene Personen, die unter dem Code ihres Namens am öftesten vorkommen (was, nebenbei bemerkt, natürlich gar nichts über deren Wichtigkeit aussagt). Diese zehn Bilder legt er übereinander und erschafft dadurch eine Art von portrait idéal, das den Träger des Codes einerseits idealisiert, jedoch gleichzeitig jeder konkreten realen Grundlage entbehrt. Trotzdem kann man nicht von einem virtuellen Portrait sprechen – die Bilder stammen ja von realen Personen -, sondern müsste es vielmehr als hyperreales Portrait bezeichnen in dem Sinn, dass es so sehr nahe an unserer Wirklichkeit steht und gerade dadurch gar nichts konkretes mehr über sie auszusagen imstande ist. Die so entstandenen Portraits zu den Namen eines gesamten Hauses druckt Wolfgang Müllner auf grundierte Flächen, deren Struktur Mauerwerk oder Anstriche assoziiert. Solcherart fügt er den vorhandenen Einschreibungen neue Beschreibungen hinzu, den vorhandenen Codes neue Signale. Diese besetzen den öffentlich zugänglichen (realen und elektronischen) Raum, aus deren Versatzstücken sie gebildet sind. In die konkreten Wohnungen allerdings dringen sie nicht vor. Auch diese Nester bleiben leer. Nur die Andeutungen, wen sie allenfalls beherbergen könnten, schwirren durch die Luft.

Martin Breindl, März 2014