Fragilität - die trügerische Ruhe des verlorenen Moments

Zeit ist, was vergeht, wenn nichts Anderes passiert (Richard Feynman). Wir messen die Zeit durch das Abzählen gleichartiger Ereignisse. Die Zeit scheint unendlich langsam zu vergehen, wenn nichts geschieht - außer dem Ticken des Metronoms.

Der Takt unseres Lebens wird vorgegeben durch Punkte in Kalendern. Sie erscheinen uns zu dicht gedrängt. Die Füllmomente zwischen den tatsächlichen Ereignissen werden bestimmt durch die örtliche und zeitliche Entfernung der echten Momente: Wir warten. Auf einen Transport von A nach B. Darauf, dass X beendet wird und Y beginnt. In diesen Füllmomenten sind wir zur Untätigkeit gezwungen, obwohl uns Rastlosigkeit treibt.

Wir blicken scheinbar gedankenverloren auf die Taktgeber unserer Zivilisation. Wir versuchen durch sie hindurchzusehen durch Raum und Zeit – zum nächsten geplanten Punkt im Kalender; zur nächsten Station. Aber wir können die Spannung nicht auflösen zwischen der scheinbaren Ruhe, die wir nicht freiwillig gewählt haben, und dem leer laufenden Motor unseres inneren Antriebs. Wir versuchen unsere Uhren anzutreiben; wir fühlen in unseren eigenen Schritten den kräftigen Herzschlag der produktiven Gesellschaft.

Wir spüren die Zeit verrinnen, die wir nicht nutzen zu können glauben. Wir befinden uns in einem Gleichgewicht zwischen Stillstand und Hast in einem Niemandsland und einer Niemandszeit. Doch dieser Gleichgewichtszustand ist fragil. In jedem Moment kann die hektische Suche kippen in resignierte Beobachtung – oder vielleicht auch: in unverhofft eingekehrte echte Ruhe mitten im Alltag.

Selbst bemerken wir die Fragilität unter der Oberfläche der scheinbaren Normalität nicht – aber der Beobachter des Ameisenhaufens der menschlichen Zivilisation kann ihn festhalten: diesen Augenblick der Erkenntnis, in ein Moment Vergangenheit wird, der gerade noch Zukunft war. Menschen erscheinen verloren, wie Spielzeugfiguren zufällig hineingeworfen in eine unwirkliche Szenerie aus Spielzeugeisenbahnen und Modellautos. Eine Modellwelt, die wir selbst geschaffen haben und die uns trotzdem Rätsel aufgibt.

Text: Das subversive Elkement